Bruno Hespeler

 

Auszüge aus dem Buch

Die Baujagd

erschienen im Verlag dieter hoffmann mainz

Dachse

Ich Danke dem Verlag   http://www.verlag-hoffmann.de/  sehr für die freundliche Genehmigung. Wer gute jagdliche Literatur und Fachliteratur sucht, wird einen kompetenten Partner der Jägerschaft finden.

Die Einarbeitung des Junghundes 

Eigentlich ist es schon verwunderlich: Bei keiner anderen Jagdart ist der Hund so auf sich alleine gestellt, können wir ihm in der Praxis so wenig helfen, wie bei der Baujagd, und dennoch wird diese Arbeit bei der Ausbildung des Hundes am stärksten vernachlässigt! Aus der Tatsache, daß Schärfe und Härte, ebenso wie Spurlaut und Wasserfreude Anlagen darstellen, die der Welpe von seinen Vorfahren mitbringt - oder auch nicht - leiten wohl immer noch viele Jäger die Anschauung ab, möglichst rabiate Schärfe sei Voraussetzung und zugleich Garant einer erfolgreichen Baujagd. Das verhält sich in etwa so, als wenn ich unsere Schulen abschaffen wollte, mit der Begründung: entweder hat ein Kind die notwendige Intelligenz oder es ist sowieso sinnlos, ihm etwas beibringen zu wollen! Schärfe, Härte und natürlich Jagdpassion und auch Instinkt (Gespür für das Machbare, nennen wir's im menschlichen Bereich) sind sicher bis zu einem gewissen Maße unabdingbare Voraussetzungen. Aber so, wie ein Boxer mehr als nur Schlagkraft und Gewandtheit benötigt, so müssen wir auch unserem Bauhund zunächst eine gewisse Grundtechnik vermitteln. Anforderungen und Vorstellungen bezüglich des Bauhundes haben sich zudem in den letzten Jahrzehnten gründlich gewandelt. Darüber wurde ja eingangs schon gesprochen.

Nun ist es auch nicht unbedingt so, daß ein scharfer Junghund ohne alle Bedenken in den erstbesten Bau fährt und sich dort womöglich kräftig verprügeln läßt. Es wäre für seine weitere Entwicklung auch nicht vorteilhaft. Daß aber umgekehrt Hunde, die alles andere als genügend scharf sind, gelegentlich mit größtem Elan einfahren, zeigt uns, daß bei Verhalten und Einsatz der Hunde eben doch auch eine gewisse „Intelligenz" mit eine Rolle spielt. Diese Feststellung scheint mir wichtig, denn mancher „vorsichtige" Junghund wird gleich zu Beginn seiner Laufbahn als unbrauchbar abgestempelt. Gleichwie von anderen, weit weniger prädestinierten Vertretern, auf Grund erster Unerfahrenheit Leistungen erwartet werden, zu denen sie nicht oder höchstens mit verständnisvoller För­derung fähig sind.

 

Erste Erfahrungen für die spätere Baujagd können wir schon dem Welpen vermitteln. Wer einen Zwinger oder Garten hat - man kann's auch im Revier machen - der vermag mit geringsten Mitteln einen kleinen Kunstbau anzulegen, welcher vorzügliche Dienste leistet. Man hebt in einer Länge von wenigstens zwei Metern einen kleinen Gang aus. Ein leichter Knick in der Mitte sorgt für allmähliche Verdunkelung im hinteren Teil. Seitlich schlägt man in Meterabständen Fichtenrundlinge ein und an diese werden zugerichtete Bretter genagelt. Abgedeckt wird der so entstandene Kanal ebenfalls mit möglichst dicht schließenden Brettern von je einem Meter Länge. Am Ende des Bauwerkes schließt sich ein kleiner Kessel an von etwa 50 cm im Quadrat. Er wird ebenfalls mit einem abnehmbaren Deckel versehen. Wer es ganz gut machen will, versieht den Kessel mit einer herausziehbaren Gitterabsperrung, so wie am Schliefenbau. Die so entstandenen Röhren sollen 18 cm lichte Weite und eine Höhe von 20 cm aufweisen. Hat der Welpe oder Junghund täglich Zugang zu dem Bauwerk, wird er es in den meisten Fällen aus eigenem Antrieb erkunden. Ganz problemlos wird es aber, wenn wir ihm das Futter ein kurzes Stück in die Röhre schieben. Fraß überwindet - wie beim Menschen - jede Hemmung! Täglich muß der Hund ein kleines Stück weiter ins Rohr, um sich seine Beute zu holen, bis er schließlich im Kessel landet. Auch anfangs ängstliche Hunde wagen sich meist schon am dritten Tage ohne jede Scheu bis in den Kessel. Damit ist der Bann gebrochen. Natürlich kann man später auch ein erlegtes Stück Raubwild oder Raubzeug in den Kessel geben. Hier ist der Gitterschieber vorteilhaft. Er verhindert die unverzügliche Inbesitznahme und fördert ungemein das laute Vorliegen. Aber das ist nur eine Maßnahme. Auch beim Hund gilt: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt! Also muß er zunächst außerhalb des Baues Bekanntschaft mit dem Raubwild schließen.

 

Wir zeigen ihm schlicht einen erlegten Fuchs. Am besten zunächst noch hochgehängt. Da ist die Gefahr scheinbar nicht ganz so groß und es läßt sich herrlich und anhaltend hinaufbellen. Hat man das zur Genüge auf Distanz getan, traut man sich hernach auch an den Balg.

 

Auch kleine Schleppen mit dem Raubwild fördern das „Bewußtsein" des Hundes. Er muß suchen und er will finden. Wer Jagdgelegenheit hat, und nur der sollte sich einen Jagdhund halten (!), findet auch im Sommer mannigfache Gelegenheit, dem Hund Kontakte dieser Art zu vermitteln. Da gibt es den Jungfuchs, der mit dem Kleinkaliber oder der kleinen Magnum auf freier (übersichtlicher) Wiese beschossen, fast immer noch ein kurzes Stück flüchtet und den wir mit dem Jagdhund nachsuchen können; oder den Fuchs, den wir in einen Durchlaß stecken und per Schnur vor dem Hund wegbewegen können. Auch in einen unbefahrenen Naturbau läßt sich mittels einer Stange ein an eine Schnur gebundenes Stück Raubwild oder Raubzeug hineinschieben; die Schnur hilft uns, das Stück auch wieder zu bergen. Da wird es für den Junghund schon leicht ernst. Der Jäger, der schon gewisse Erfahrungen mit Erdhunden gesammelt hat, weiß hier zu improvisieren.

 

Was wir nicht und nie machen dürfen, ist, den Hund in einen unbefahrenen Bau hineinanimieren! Der Draufgänger wird, so er noch ohne Erfahrung, auch ohne unsere Aufforderung einfahren und sich überzeugen, daß der Bau leer ist und er wird stumm dabei bleiben. Der ängstliche Hund aber wird nur mit viel Getöse langsam vordringen und meist hinter der nächsten Ecke lauthals in die grausige (und leere) Tiefe schimpfen, ohne sich auch nur einen Schritt weiter zu bewegen. Kommt ein solcher Hund dann zum Luftschnappen heraus, wird er von seinem hirnlosen Führer auch noch kräftig für den gemeinsamen Unfug gelobt, wird er uns die Freude gerne wiederholen. Wir haben den Grundstock für einen „baulauten", ängstlichen Kläffer gelegt, der in jedes unbewohnte Loch ein Stück einschlieft und doch zu keiner rechten Arbeit brauchbar wird!

 

 

Draußen im Revier

 

Mit der Prüfung am Schliefenbau ist die Ausbildung des Bauhundes keineswegs abgeschlossen. Nun, im ersten, zweiten Jagdwinter heißt es, den Junghund zu lenken. Vor allem nicht zu verführen! Wohl die überwiegende Mehrheit der Baujäger bevorzugt heute den Fuchssprenger. Das Dachsgraben ist ja zu Recht kaum mehr gebräuchlich. Daher sei es mir gestattet, in erster Linie auf den hierzu erforderlichen Abrichtungsweg einzuschwenken. Eine der Grundvoraussetzungen für den flotten Fuchssprenger, der seinen Führer und dessen Gäste nicht stundenlang vorm Bau stehen läßt, weil er sich mit dem Dachs angelegt hat, ist die „Dachsreinheit". Hierzu ist es wichtig, den Hund schon in früher Jugend - in der erweiterten Prägungsphase - mit dem Fuchs, nie aber mit dem Dachs vertraut gemacht zu haben. Er kennt den Fuchs, und steckt zufällig doch auch noch ein Dachs im Bau, wird er sich zuerst dem Fuchs zuwenden. Dieser hat ja den Vorteil, vor dem Hund zu laufen; ein Verhalten, das auch der Hund als Angreifer bevorzugt. Wenn ich sage, daß wir den Junghund unbedingt vom Dachs fernhalten wollen, so meine ich hauptsächlich den direkten Kontakt. Natürlich ist es sinnvoll, den Hund an warmen Sommertagen, nachdem die Jungfüchse sicher ausgelaufen sind, angeleint am befahrenen Dachsbau vorbeizuführen und sein Interesse am Bau mit einem sanften aber unmißverständlichen „Pfui Dachs" zu zügeln.

Genauso ist es zweckdienlich, den Hund - ohne Aufforderung - in sicher unbefahrene Baue schliefen zu lassen. Er wird das nicht oft tun. Bei diesen Übungen, bei denen wir uns möglichst passiv verhalten, lernt der Hund zu erkennen, welche Baue unbefahren sind, und er schlieft am befahrenen Bau ohne unsere Aufforderung. Unbefahrene Baue wird er nach den ersten Erfolgserlebnissen nicht mehr annehmen.

Das ist wichtig: So wie beim Schweißhund die erste Hatz unbedingt mit einem Erfolg enden muß, so soll das auch bei der Erstlingsarbeit des Fuchssprengers sein. Wer an der Röhre hinter seinem Hund „herbellen" muß, damit dieser einfährt, hat dem Fuchs die Situation verraten und erschwert das Sprengen ungemein! Gehen wir wirklich lautlos vor, hat der Fuchs nichts von unserem Aufmarsch bemerkt, steht - das ist wichtig - auch der Wind günstig, dann wird der Fuchs in aller Regel in den ersten zehn Minuten springen. Gerade dem Junghund ist der Fuchs durch seine Ortskenntnis und Sicherheit überlegen. Er hat daher Zeit, sich nach kurzem Verwirrspiel in der dunklen Tiefe, ohne große Hast abzusetzen. Nicht selten steht so ein Fuchs noch für die Dauer eines Augenblickes vor der Röhre und äugt zurück. Auch das ist wichtig, wir müssen den Roten unbedingt zur Strecke bringen. Wofür sonst hätte der Hund gearbeitet!? Und er lernt, wie bei den Arbeiten über der Erde, daß sich bei jedem Schuß die Nachschau lohnt. Damit können wir ihn auch abfangen und anleinen. Ich habe mich im ersten Jagdjahr meiner Bauhunde immer mit einem Fuchs je Bau oder zwanzig Minuten Arbeitszeit begnügt. Das schließt nicht aus, bei solchen Gelegenheiten dennoch zwei Füchse zu schießen, denn nicht selten springt ja zunächst ein an der Schlacht vollkommen Unbeteiligter, während sein Kamerad mit dem Hund rauft. Ist der Hund direkt am Fuchs, wird er sich auch durch einen Schuß nicht abbringen lassen. So mögen gelegentlich doch zwei Füchse auf dem Bau liegen. Wir wollen ja nur verhindern, daß sich der Hund mangels weiterem Fuchs mit dem Dachs anlegt; und nie ist die Gefahr hierzu größer, als nach einer gewonnenen Teilschlacht!

 

Natürlich kann man, auch bei aller Vorsicht, nie ganz verhindern, daß der Hund dennoch gelegentlich an den Dachs gerät. Ist er scharf und verkraftet die ersten Schmisse, wird er an ihm bleiben, solange er um unsere Anwesenheit weiß. Deshalb ziehe ich mich, sobald mir über die Verhältnisse unter der Erde Gewißheit vorliegt, kommentarlos zurück. Es ist beim Junghund auch ziemlich sinnlos, ihn abpfeifen zu wollen. Die Stimme des Herrn, so sie im Kampfeslärm überhaupt vernommen wird, animiert nur zu heftigeren Angriffen. So hart es klingt: Ich packe meine Siebensachen und ziehe mich zurück. Frühestens nach hundert Metern lege ich dann den Rucksack, die Leine und vielleicht den Mantel ab. Natürlich gehe ich nicht nach Hause, sondern bleibe in der Nähe. Es gibt ja Fälle, wo man nach einiger Zeit wirklich gezwungen wird, einzugreifen. Meist aber wird der nach unserer Methode gearbeitete Hund nach einiger Zeit an die Oberfläche kommen, um frische Luft zu schnappen. Dabei vergewissert er sich auch unserer Anwesenheit. Der scharfe Junghund verschwindet, wenn er uns sieht, in neun von zehn Fällen, trotz Rückruf blitzartig wieder unter der Erde. Er folgt aber zumindest beim dritten Auftauchen unserer Spur, wenn er uns nicht mehr sieht. Natürlich gibt es Ausnahmen. Die Regel bleibt. Später, wenn der Hund seine Erfahrungen gesammelt hat, wird es bei konsequenter Führung auch einmal gelingen, ihn vom Dachs abzurufen oder abzupfeifen. Von einem solchen Teckel, der sich von jedem Dachs abpfeifen ließ, berichtete mir der als Kynologe so erfahrene wie bekannte Dr. Tabel.

Er hatte diesen Teckel - wie er mir schrieb - eben genau nach diesen hier aufgezeigten Grundsätzen abgeführt. Auf dem Rucksack lassen wir den Hund einige Zeit liegen. Er soll „nachdenken". Bleibt man konsequent, läßt die Lust, mit dem Dachs zu raufen, mehr und mehr nach. Es ist ja wie beim lästigen Rehjagern. Hunde, die konsequent geführt werden und reichlich Erfolg auf der Krankfährte finden, sehen die Sinnlosigkeit, gesunde Rehe zu jagen, bald ein!

 

Schmisse sind bei der Baujagd ziemlich unvermeidlich. So wird auch der Fuchssprenger gelegentlich vom Dachs Blessuren erhalten. Hat der Hund angewölften Jagdverstand, wird er seine Lehren daraus ziehen. Die Löwen hätten ja auch nie überlebt, würden sie aus „Vergeltung" die stärksten Büffel an Stelle der Kälber angreifen! Zwar machen Schmerzen bekanntlich blind und unempfindlich, und der vom Dachs geschlagene Hund gerät, wenn er besonders hart ist, erst richtig in Rage, aber er läßt es bald, wenn ihm keine Hilfe zuteil wird. Hunde, denen die natürlichen Instinkte zugunsten übersteigerter Schärfe verloren gingen, überleben als Bauhunde meist nicht zu lange!

 

Noch eines muß gesagt werden: Es ist bei der Baujagd wie überhaupt; der Junghund gehört nicht auf einer Gesellschaftsjagd geführt! Daher jage ich mit meinen Hunden im ersten Winter alleine. Das gewährt die Ruhe über der Erde und sichert das Vertrauen des Hundes. Wer sich Gäste mitnimmt, steht unter Erfolgszwang! Der Leser wird gut daran tun, es ebenso zu halten.

 

Die Baue

 

Die natürlichen Baue kann man grob in drei Gruppen einteilen: Felsbaue, Sandbaue und Lehmbaue. Besonders erstere sind gemeinhin bei den Erdhundbesitzern gefürchtet - weniger bei den erfahrenen Baujägern! Nun muß man bei einer solchen Aussage recht vorsichtig sein, denn wirklich gefährlich wird der Bau ja erst, wenn der Hund drinnen steckt, und wirklich bedenklich dann, wenn Hund und Bau nicht zusammenpassen.

 

Mir waren beim Fuchssprengen Felsbaue immer lieber als Sandbaue. Vorausgesetzt der Hund hat brauchbare Läufe und rutscht nicht schon über der Erde auf dem Bauch. Bei den Terriern braucht man sich hierüber keine Gedanken zu machen, aber in den verzüchteten Teckelstämmen (ich vermeide bewußt das Wort Dackel) findet man solch bedauernswerte Zuchtprodukte gelegentlich. Während es im Lehm- und Sandbau selten höhere Stufen und Absätze gibt, die, besonders in der Dunkelheit des Baues, für den Hund ein Problem werden können, finden sich solche in Felsbauen immer wieder. Und hier ist ein Hund mit langen Läufen - so wie sie der Fuchs hat - überlegen. Beim Schliefen stören die langen Läufe nicht. Der Hund hat sie ja unter sich zusammengeklappt. Aber in der Dunkelheit zum Sondieren, dort, wo sich ein Absatz befindet, zum sicheren Absprung oder zum Aufstieg, da sind sie unerläßlich. Wir haben ja nicht ohne Grund in den Kunstbauen der Schliefenplätze die Kamine eingebaut, in die der Hund hineinspringen und auf der anderen Seite wieder hochkommen muß. Dabei zeigen sich die Leistungsunterschiede und auch das Selbstver­trauen zwischen den einzelnen „Lauftypen". Im Naturbau gestalten sich derartige Hindernisse meist schwieriger. Einmal ist es dort wirklich absolut finster, zum anderen fehlt dem Hund, im Gegensatz zum Kunstbau, die vorbestimmte Richtung, in der es weitergeht. Da muß er sich gelegentlich schon erst einmal auf die Hinterläufe stellen und sehen, wo es weitergeht, ehe ihm überhaupt ein Aufsprung in der Finsternis möglich ist.

 

Für Fuchs und Dachs sind auch höhere Absätze überhaupt kein Problem. Der Fuchs überwindet in der Gefangenschaft gelegentlich bis zu zwei Meter hohe Mauern und Holzwände, von Drahtzäunen nicht zu reden. Und wer den Fuchs im Zwinger erlebt hat, der wird ob dessen Gewandtheit nicht selten an einen Affen erinnert! Vom Dachs wissen wir, daß er sich auch im steilsten Loch hochstemmt, wie ein Bergsteiger im engen Felskamin. Beim Hund, besonders beim Teckel, werden die physischen Unterschiede bereits beim Treppensteigen sichtbar. Manche Teckel weigern sich ängstlich eine Treppe anzunehmen, weil sie wissen, daß sie dabei Schwierigkeiten bekommen. Ein Terrier hingegen vermag ohne Zaudern auf einen Tisch und wieder herunter zu springen. Es ist ja nicht nur die Lauflänge; es ist die Harmonie des gesamten Körperbaues, die wir der alten „Niederbracke", aus welchen Gründen auch immer, nach und nach abgezüchtet haben.

Nun, ich will hier nicht einseitig für die Terrierrassen plädieren. Auch sie haben mitunter Nachteile - gerade im Felsenbau: ihr Brustumfang! Während es dem Terrier in anderen Bauen leicht fällt, mit seinen kräftigen Pfoten eine Engstelle zu erweitern, ist dies im Felsenbau - im inneren Bereich - selten möglich. Das Maß gibt dort der Bau an - nicht der Hund! Also einigen wir uns hinsichtlich der körperlichen Eignung friedlich auf den Terrier mit guter Figur und den nicht zu kurzhaxigen Dackel! Was mir die Felsenbaue trotz der aufgezeigten Schwierigkeiten sympathisch macht, ist der Umstand, daß sie selten zu so großen und vielstöckigen Labyrinthen ausgebautwerden, wie die Erdbaue. Auch die Gefahr eines Einbruchs, etwa beim Graben, ist kaum gegeben und der Dachs findet in ihrer felsigen Tiefe wenig Gelegenheit, sich vor dem Hund zu verklüften, ebenso wie es dem Hund weniger möglich ist, sich selbst einzumauern. Was den Felsenbau als einziger Umstand unsympathisch macht, ist die Tatsache, daß er, in Fällen wirklicher Not, nicht gegraben werden kann!

 

Die heimtückischsten Burgen finden sich im Sand. Ist es ein kleiner Bau ohne Sackröhren, in dem nur der Fuchs sitzt, dann funktioniert unser Überfall in der Regel ohne Probleme. Ist es ein größerer, verzweigter Bau, ist der Hund nicht scharf genug, den Fuchs aus der Sackröhre zu beißen und zum Überrollen zu bewegen, oder hat sich gerade der Dachs mit Sippschaft eingenistet, dann kanns schon kritisch werden. Und ganz mies wirds, wenn wir graben müssen. Zwar läßt sich nichts leichter graben und beseitigen als Sand, aber kein Material rutscht auch so leicht nach oder bricht ein wie Sand. Handelt es sich um einen flachen Bau, den nicht viel mehr als etwas Humus und Bewuchs abdeckt, in Schottland fand ich solch flache Sandbaue, dann sind sie für einen Einschlag freilich ideal. Aber das sind sie selten. Meist graben Dachs und Fuchs im Sand besonders gerne und umfangreich. Und natürlich merkt jeder von beiden, daß seine Arbeit in den tieferen Schichten mehr Bestand hat. Während aber die Gänge mit zunehmender Tiefe stabiler werden, ist es bei einem not­wendigen Einschlag umgekehrt! Insofern kann die scheinbar mühelose Grabarbeit sich im Sand ins Gegenteil verkehren: Man muß, wenn es über einen Meter tief geht, sehr weiträumig einschlagen, um der ständigen Einsturzgefahr zu entgehen und Schächte mit mehr als zwei Meter Tiefe ohne Stützschalung sind genau genommen grober Leichtsinn. Zwei Meter hat man aber, wenn der Bau am Hang liegt, schnell zusammen. Einen Einschlag im Sand sollte man, von wirklich kleinen und flachen Aktionen abgesehen, nie alleine durchführen!

 

Wie schnell das schiefgehen kann, erlebte ich an einem sonnigen Hubertustag in unserem schönen Allgäu. Er wäre ums Haar mein letzter geworden! Ich hatte zu frostiger Frühstunde vom Hochsitz aus mit der kleinen Kugel einen Fuchs beschossen, dessen zwar sicher nicht weißledriger, ansonsten aber recht voll erscheinender Balg mir gerechtes Opfer für diesen Tag sein sollte. Das alles war etwas vertrackt, weil der Fuchs, schon vor dem Schuß, auf der überreiften Wiese vom Jungvieh bedrängt wurde. Das machte meinen Schuß nicht eben leicht und in gewissem Maße, der Boden war gefroren, auch riskant. Kurz und gut: ich erwischte den Fuchs etwas tief und das Vieh ließ ihm zu rascher Deckungsnahme keine Gelegenheit mehr. Er entschwand, mehrfach aufgemüdet, im Wald. Freilich wähnte ich ihn nach dem Frühansitz längst verendet. Nahm meinen Dackel an den Riemen und schlug mich durch das aufdringliche Jungvieh. Da wurde, beim Übersteigen des Stacheldrahthages, Reineke im Wald vor uns nochmals hoch und entschwand, glorreich gefehlt, in der Tiefe des Waldes. Der Dackel führte mich dann auch auf nächstem Weg an einen vielbefahrenen, in kleiner Dickung liegenden Bau auf einem Geschiebehügel unserer Moränenlandschaft. Zu ziehen vermochte er den Fuchs nicht, da die betreffende Röhre recht steil in den Berg führte. Unsere Waldarbeiter waren nicht greifbar. So blieb mir nichts anderes übrig, als das notwendige Schanzzeug zu holen und selbst mit dem Einschlag zu beginnen. Um die Mittagsstunde hatte sich schon ein beachtlicher Auswurf hinter mir angesammelt und ich war mit zunehmender Tiefe gut drei Meter nach vorne gedrungen. Der Sand hielt gut, und der Hund war samt dem längst verendeten Fuchs mit der Haselgerte bereits zu orten. Wegen der wachsenden Einsturzgefahr, und weil ein weiteres Graben zunächst die Entfernung einiger Jungfichten erfordert hätte, versuchte ich kopfunter im engen Einschlag liegend, den wohl hinter der letzten Ecke oder zwischen irgendwelcher Wurzel verklemmt liegenden Fuchs selbst zu greifen. Doch mehr als den heftig ziehenden Dakkel mochte ich in der Enge des Loches nicht zu erreichen. Ich gab auf und stieg nach oben - und das rettete mir das Leben! Kaum war ich heraußen, brach zunächst die eine, und von deren Erschütterung auch die zweite Wand nach unten und füllte die Sohle des Einschlages meterdick auf. Ich hätte keinerlei Chance gehabt und in der Dickung hätte mich, zumal meine Rückkehr erst für übernächsten Tag angesagt war, niemand gesucht! So schnell kann's gehen! Übrigens kam ich doch noch zu meinem Hubertusfuchs. Der gute Daxel hatte ihn mir, nicht ohne mich nochmals ausgiebig graben zu lassen, später dann aus einer anderen, an die zehn Meter entfernten, nicht gar so steil mündenden Röhre gezogen. Welch vergeblichen Wege mochte er mit seiner Beute da drinnen zurückgelegt haben, ehe er einen gangbaren Weg ins Freie fand!

 

Aber es ist nicht nur die Einsturzgefahr, die mir die Sandbaue verekelt hat: Einmal, es ist schon ein Vierteljahrhundert her, gruben wir mit reichem Gefolge und großem Aufwand einen verzweigten Dachsbau im Schwemmsand der Rheinauen, um einen oder mehrere Dachse für den Schliefenplatz zu fangen. Nun war es auch den abwechselnd eingesetzten und gut aufeinander eingespielten Terriern nicht leicht, den oder die Dachse in eine Endröhre zu drücken und dort zu „stehen". So war bereits der erste Einschlag vergeblich. Der Dachs saß nicht, wie angenommen, in einer Endröhre, sondern hatte sich - im lockeren Sandbau eine Kleinigkeit - vor dem Hund schnell verklüftet. Dieses Spiel wiederholte sich mehrmals. Die Baue sind in jener Gegend für ein solches Unternehmen besonders geeignet, da sie wegen des hohen Grundwasserstandes meist recht flachgründig angelegt werden.

 

Uns war aufgefallen, daß offenbar immer nur ein Dachs in der Falle saß, während der oder die anderen im verzweigten Bau die Hunde in Bewegung hielten. Doch so nach dem dritten, vierten vergeblichen Einschlag drang der Laut der Hunde nur noch von einer Stelle an unser Ohr. Offenbar saß die Sippe jetzt fest zusammen. Einer der Hunde wurde abgenommen und unverzüglich neu eingeschlagen. Bald hörten wir auch das Kratzen des „Wotan" durch die dünne Sanddecke; also hatte man sich wieder eingeschanzt! So war es auch. Und während unsere Helfer den letzten Sand aus der Röhre warfen und wir mit Lampe und Dachszange bereitstanden, rollte unter großem, tatenlosen Gegröle der umstehenden „Kanalarbeiter" erst ein, und dann auch noch der zweite Dachs aus dem hinter unserem Rücken liegenden

Loch! Zwar hatten wir die zur Erholung abgelegten Hunde schnellstens hinterhergeschickt, samt dem Pudelpointer des als Zuschauer beteiligten Jagdpächters, aber der Spektakel verlor sich ohne großen Aufenthalt im Dschungel der Eschen, Rüster und halbmannshohen Schachtelhalmwildnis. Erst kehrten abgekämpft die beiden Terrier zurück, endlich auch der Pudelpointer.

Und die Moral aus der Geschichte: Es war, nachdem wir die Kampfstätte vollends freigelegt hatten, nicht schwer zu erkennen: Beide Dachse waren in eine Endröhre geraten und vom Terrier hart bedrängt. Und während der eine eimerweise Sand vor den Hund warf, brach der andere - gerade noch zur rechten Zeit - die Wand gegen eine andere, nur knapp einen halben Meter nebenlie­gende Röhre durch - man hatte wieder Anschluß an die Freiheit.

Da bleiben noch die Lehmbaue. Besser gesagt die Baue mit mehr oder weniger Lehm. Ihre zahlreichen Varianten gehen vom Bau im lehmigen Sand bis zum Bau, der durch Schichten zähen Tons dringt, und dazwischen gibt es alle Mischungen, liegen Sande und Gesteine und dringen, wie beim Sandbau, je nach Standort und Geschichte, Wurzeln aller Stärken. Mir am liebsten sind in dieser Gruppe jene Baue, die in sandigen Lehmen angelegt wurden. Sehr schlecht zu graben (für Jäger und Wild!) sind Baue dort, wo zähe Tone auf dünnen Sandschichten liegen. Tone, ja schon die strengen Lehme, sind unendlich mühsam zu graben. Oft muß man die Löcher mehr auskratzen als ausschaufeln, und die dünnen Sandschichten wirken nicht selten wie ein Rollenlager, auf dem die zähen Schichten freigelegt in die Tiefe fahren. Gleichwohl sind diese Baue nicht annähernd so tückisch wie die Sandbaue. Und der Dachs sucht sich, wo er kann, eben auch die Sandschichten im Lehm, um seine Gänge voranzutreiben. Gelegentlich bleibt in diesen Höhlen das Wasser stehen, das durch Sand oder Geröll eindringt und nicht abfließen kann.

 

Natürlich gibt es auch Baue undefinierbarer Provenienz, auf die hier wegen ihrer Verschiedenheit nicht weiter eingegangen werden soll. So graben sich Dachs und Fuchs bei uns im Allgäu gerne unter die, vor allem im Ostallgäu zahlreichen, gelegentlich haus großen Moränenfindlinge. Dabei besteht dann gewissermaßen nur das Dach aus Fels, der Boden aber aus lehmhaltigen, gelegentlich auch aus tonartigen Schichten. In der Heide sind es die Granitfindlinge und der Heidesand.

 

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