Döntjes

Das sind Geschichten aus der Heimat, sie sollen alle so gewesen sein!
 

 



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 Schussbuch von Wilhelm Bruns 1905 - 1924   
 

 

 

 

Irgendwo in der Krummhörn

 

Der Mann von der Dekra ist da. Draußen Nebel, leichter Nieselregen, auf dem Viehanhänger ist es kalt, es holpert wie verrückt und vor ihm die Flinte. Rostflecken, Spinnweben im Lauf , er sieht nach unten, die Waffe geschlossen, die Stiefel voll Kleie. Im ersten Treiben waren 7 Hasen, nur ihm ist keiner gekommen. Ihm wird immer mulmiger. Vor drei Tagen hatte er den Fendt abgenommen, 160 PS, 18 Jahre, zweimal hatte der TÜV nein gesagt, die Anhängerkupplung wurde vom Nachbarn geborgt, die Bolzen für den Frontlader und die Hinterreifen auch, was soll schon hier passieren, der Stempel kam drauf und die erste Einladung seit 10 Jahren für einen von „außerhalb“ erfolgte. Die anderen waren einverstanden, die Trecker wurden ja alle älter.

Onno hatten sie abgeholt. Die Flinte stand im Schuppen. Da steht sie immer, meinte einer, er wartet immer auf die Krähen. Hat wohl nicht geklappt mit den Krähen in letzter Zeit, sonst könnten nicht so viel Spinnweben im Lauf sein. Er versucht dem Lauf auszuweichen, murmelt auch etwas von „ bisschen vorsichtig“. Da nimmt Onno die Flinte auf dem Schoß, sichert, nimmt die 3,5 mm Horrido raus und meint: „ Mach doch woll so wat sekkere ween“! 

 

 

 

 

Eine jagdliche Weihnachtsgeschichte

Bei uns am Bansmeer wurde seit jeher mit Stockenten vor der Hütte gejagt. Wobei in der früheren Zeit fast alles Wasserwild geschossen und verwertet wurde.

Schon früh im Juli wurden die Hütten im Schilf gebaut. Es war eine  Kunst mit der die alten Jäger hier vorgingen. Zuerst wurde von der Wasserseite eine Schneise ins Schilf geschnitten, sodass die Jolle hinein passte, dann wurden mitgebrachte Weiden reihenweise seitlich der Jolle  ins Schilf gesteckt und kunstvoll zu einem Dach zusammen gebunden. Das Ganze wurde dann mit Schilf verkleidet.

Da viele der alten Jäger vom Reitschneiden und der Jagd lebten, waren sie oft von Juli bis damals März die meiste Zeit in solchen Hütten auf Entenjagd.

Die Jolle wurde mit Stroh und Decken ausgelegt. Im Rücken hatte man die Entenkiste für die Lockenten. Die Lockenten kriegten an einem Bein ein weiches Halteband, dann folgte die eigentliche  Schnur mit dem Stein. Dazwischen eine Zwirbel zum Drehen.

Rund ein halbes Dutzend Enten wurden dann im Halbkreis vor der Hütte aufgestellt. Da ich selber unzählige Male so zur Jagd gegangen bin, weiß ich, dass die Enten wohl keine anderen Enten anlocken würden, wenn sie sich unwohl fühlten.

 

An einem  Abend im Dezember war Ulfert auf Entenjagd.

Der Mond schien und es fror leicht, der Wind wehte schneidend kalt aus östlicher Richtung.

Seine Frau Lina, hatte ihm in einen alten Strohsack eine kupferne Wärmflasche eingepackt, obwohl sie es eigentlich heute nicht wollte.

Aber an so einen schönen Abend, der frische Ostwind hielt die Stelle vor seiner Hütte eisfrei, musste er einfach hier liegen. Vielleicht ist es in den nächsten Tagen schon alles zugefroren.

So saß Ulfert nun in seiner Jolle, die Lockenten vor sich, in leichten Wellen auf und ab schwimmend.

Plötzlich schlugen seine Enten an, sie haben irgendetwas fliegen sehen, dachte er und schon sah er auch, wie zwei Wildenten im flachen Anflug hinter seinen Enten zu Wasser gingen.

Die Spannung stieg in Ulfert, er nahm vorsichtig seine Doppelflinte von der schweren Öldecke, die ihn vor Nässe schützte und wartete bis sie in Schussnähe kamen.

Er musste aufpassen, dass er nicht mit seinem Gesicht unter dem Hüttendach hervor ragte. Im Mondschein würden die Wildenten sofort abstreichen.

Jetzt waren sie in Schussnähe und schwammen in etwa 20-30 Metern Entfernung gleich hinter seinen Enten. Aber er wartete noch, bis die Wildenten hintereinander schwammen um evt. beide mit einem Schuss zu treffen.

Er und seine Frau verdienten nicht viel mit dem was Ulfert von der Jagd und mit dem Reitschneiden nach Hause brachte und schließlich waren Patronen teuer.

Jetzt, jetzt waren sie fast soweit zusammen, dass er schießen konnte. Er drückte vorsichtig das Gewehr in die Schulter, aber auf einmal, was war das, wer sang da auf einmal so wunderschön aus der Ferne.  

   

Da seine Ohren nicht mehr die besten waren, dachte Ulfert, wer weiß was das war, und legte erneut an. Auf einmal war es noch lauter als vorhin, als wenn Engel singen würden.

Ihn beschlich ein seltsames Gefühl, dass er bis lang noch nicht kannte.

Hatte ihm seine Frau Lina doch in den Ohren gelegen, ob er denn grad heut am  

„Heiligen Abend“ zur Jagd musste.

Mittlerweile waren die Wildenten aufs offene Meer hinausgeschwommen und Ulfert wurde es zu mulmig.

Zu Hause angekommen legte er den Rucksack und die anderen Sachen im Vorraum vor der Küche ab.

Seine Frau war ganz überrascht, dass er schon wieder da war und fragte: „Was de nix?“,  Ulfert aber schwieg und war ganz bedrückt.

Nach einiger Zeit schließlich erzählte er ihr die Geschichte.

Seine Frau ging aus der Küche und rief: „Ulfert, kom ehm her, nu singen Engels all bi uns int Karnhuus!“

Sie hatte den alten Fußsack mit seiner Wärmflasche in der Hand und hielt ihn hoch

 

 

 

Herbstwanderung  

 

Erst als das Gepäck im Kofferraum des neuen Kombis, natürlich mit Allrad, verstaut war und mein Ehemann Herbert im Wagen saß, atmete ich auf. Es hatte langer Überredungskunst bedurft, um ihn zu einem Kurzurlaub zu bewegen. Das Reisefieber hatte bei ihm noch nie eine Rolle gespielt.

Keine kurzfristigen Notfälle waren aufgetreten und auch für Dackel Cesar war Platz in der Pension vorhanden. Gleich nach  dem Auspacken wurde der Tag noch zum ersten ausgiebigen Spaziergang genutzt. Der Herbst war schon fortgeschritten und hier im Harz lag auch am Nachmittag noch der Raureif auf den Bäumen. Wir hakten uns ein und genossen die Bilder des Herbstes. Golden schimmerten die Blätter und ich träumte so ein wenig von allem Vergänglichen.

Cesar war immer ein paar Meter vor uns. Wir waren in einen Seitenweg eingebogen, als er unter einem Busch verschwand. Herbert rief ihn, er kam aber nicht. 

Als ich ihm einige Schritte folgte, hörte ich sein Bellen. Es befand sich direkt unter meinen Füßen. Drei oder vier Löcher waren im sandigen Boden zu sehen. Sicher war Cesar in einem dieser Löcher. Ob da ein Fuchs war?

Mein Herbert, wie immer die Ruhe weg, stand  im Wald und besah sich das alles nur. Ich war froh, als einer in grüner Uniform auf uns zu kam. Sofort erzählte ich ihm alles.

Er beruhigte mich: „ Sicher ist da ein Fuchs drinnen, aber der Hund wird Abstand halten und nach kurzer Zeit wieder herauskommen.“ Ich schaute ihn dankbar an und hatte den Eindruck, dass er mich zur Beruhigung vielleicht sogar in den Arm genommen hätte, was meinem Herbert nie eingefallen wäre.

Meine Sorge um Cesar war groß. Ich nahm mir aber vor, an der ankündigten Nachtwanderung vom Heimatverein mit dem hiesigen Förster teilzunehmen.

Wie gut doch so eine Uniform aussehen kann, da verblasst sogar der Fahrradkurier in der Coca Cola Werbung. So waren gerade meine Gedanken, als blitzartig ein Fuchs aus dem hinteren Erdloch flog und im Wald das Weite suchte. 

Ich wunderte mich über meinen Herbert, der aus seiner Ruhe aufschreckte und anscheinend versuchte den Fuchs zu fangen.

Der war natürlich über alle Berge, aber Cesar kam ganz mit Sand überhäuft aus dem Bau und wollte hinter dem Fuchs her. Jetzt merkte ich, dass die Fangaktion meines Mannes unserem Liebling galt. 
Er war ganz beleidigt, als er auf den Arm genommen wurde und wollte sich wieder losreißen. Ich lief sofort hin und streichelte ihn. Es war ihm überhaupt nichts passiert, zum Glück!

„ Das war ja eine wunderbare Bauarbeit “, sagte anerkennend unser Förster.
  Ich schaute ihm etwas tiefer in die Augen.  

 „ Er ist ja ein kleiner Zwergrauhhaar“ meinte er „ für die Baujagd hat er wohl etwas zu wenig Kraft, aber ein ganz munteres Kerlchen ist er.“ Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass mein lieber Herbert diese Äußerung nicht so wohlwollend aufnahm wie ich, oder sollte er bemerkt haben, dass auch von Seiten des Mannes in Grün viel Aufmerksamkeit mir galt?

Wir verabschiedeten uns sehr freundlich.

Cesar blieb  jetzt an der Leine. Ich war recht überrascht, als meine bessere Hälfte mich für den Rest des Weges in den Arm nahm. Waren ihm doch Bedenken gekommen, mich in den Wintermonaten oft tagelang wegen der Jagd alleine zu Hause zu lassen? Ich hatte ihn schon mal gefragt, ob ich denn sicher sein könnte, dass er erst am Abend wieder da sein würde, als kleinen Verunsicherungsfaktor.

Ich lehnte mich beim Gehen an ihn. „ Du, hätten wir den Förster nicht um eine Unterschrift unter den Baujagdbericht bitten können,“ fragte ich Herbert, „ dann hätte Cesar in der Bodenjagdstatistik jetzt seine 300ste Arbeit am Fuchs bestätigt bekommen“.

 

 

 


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Gleich nach dem Krieg, Ulfert hat einen Fuchs geschossen.

Der Alte Larisch, mit dem letzen Treck aus dem Osten gekommen, redet ihn an:

„Du, was machst denn mit dem Fuchs?"

 „Wieso? Vergraben!"

„Geh, schenk ihn mir.“

„Wieso? Was machst denn Du mit ihm?"

 „Essen."

„Kann man den denn essen?"

„Klar", meint Larisch überzeugt, „viel besser wie Hund."


 

 

Hinnerk ist zu seiner ersten Treibjagd im Osten.

"Dort drüben an der alten Eiche", erklärt der Gastgeber, "pflegt der Keiler zu wechseln. „Sie haben also ein ausgezeichnetes Schussfeld“.

Spricht's und lässt ihn auf seinem Hochsitz allein, um den übrigen Jagdgästen ihre Plätze anzuweisen.

Kurze Zeit später hört er von Hinnerks Hochsitz einen Schuss, gleich danach einen zweiten. Dann einen dritten.

Erregt stürzt der Jagdherr - das Treiben hat ja noch gar nicht begonnen! - zurück zu dem wildgewordenen Schützen:

„Aber was machen Sie denn,? Sie bringen ja alles durcheinander."

„I schieß mich ein bisschen ein", erklärt Hinnerk strahlend, „damit ich das Schwein dann auch treffe !“

 

 

                                                                     

                                                                                                              

In der Einsamkeit am Sandwater war Ulfert eingeladen zur Entenjagd .

Vüst und Tütje holten links und rechts von ihm die Erpel reihenweise aus der Luft.

Ulfert machten die Mücken rasend.

Abends empfahl ihm Senior Krull sein selbst erfundenes „ Abwehrmittel“ , den „mahagonifarbenen Grog“.   

Krull saß abends immer vor seinem Reetdachhaus und trank Grog, mahagonifarbenen Grog.

Sein Wahlspruch lautete: Grog trinkt man an den Tagen die mit g enden und Mittwochs.

In der Luft die Mücken zu Tausenden. Da schwirrten sie, da saßen sie auf der Hand vom alten Krull.

Gegen die Stiche war er längst immun und gefühllos.

Er ließ sie sitzen, rauchte still seinen Schwarzen Krause und zuweilen kam es dann:

„Arme Biester, sterben alle an Alkoholvergiftung."

 

 

 

 

Der Woltzen Hahn

„ De Höhner fallen doch immer“, sagte Hinnerk zu sich, als er die Henne schnell in den Rucksack verschwinden ließ. 
„ Hest hum?“  rief der Nachbar, der aber nichts Genaues sehen konnte. 
„ Nee, is weg“ kam es zurück. Am Nachmittag kam dann die Gelegenheit, auf die Hinnerk schon den ganzen Tag wartete. 
Klaus Peter lief neben ihm. Nicht gerade sein bester Kollege. Klaus Peter weiß zuviel und zeigt das auch. 
Der sauber erlegte Hahn von Klaus Peter flog noch ein Stück durch die Büsche und landete dann hinter der großen Dornenhecke bei Hinnerk.
„ Ist er bei Ihnen runtergekommen?“ „Dat blifft `n fein Pinkel“, denkt sich Hinnerk noch. 
„ He mutt hier achtern liggen!“ ruft er zurück, dabei hat er ihn längst und tauscht ihn schell um.
„ Ik löv nu heet de Hund  hum.“
„Sitz!“ kommandiert er noch, dann treffen sich beide 20 Meter weiter.
Hinnerk recht verwundert: „ Hest dann neet sehn, dat dat `n Hehn was?“
Klaus Peter kann es auch abends noch nicht begreifen.
Als er beim letzten Treiben 3 Euro in die Jagdkasse geben muss, bemerkt er noch: „ Das muss die Sonne gewesen sein, sonst wäre mir das nicht passiert“. 

 

 

Bezahlen mussten sie doch selber

Klaus Peter  hatte den Hasen auf dem Ansitz erlegt, dann war er aber doch wohl in den kleinen Graben gerutscht.
„ Könnten Sie da mal nachsehen?“ rief er zu Hinnerk , der als Treiber direkt auf ihn zu kam. 
„ Harr ok sülvst haalen kunnt“, dachte Hinnerk noch so bei sich. Aber er und Hasso können nichts finden. 
„ Der muss da ja sein“, mit den Worten kommt Klaus Peter näher. Alles Suchen hilft nicht. In dem kleinen Graben ist eine starke Strömung, das Wasser fließt durch ein Betonrohr ab.
„ De mutt in `t Röhr liggen“, meint Hinnerk. 
„ Kann der Hund ihn nicht da raus holen?“ fragt fast vorwurfsvoll der Schütze.  

„Dat geiht neet, dor versuppt he bi“, sagt Hinnerk. Klaus Peter, dicht vorm Jagdkönig, will aber nicht auf den Hasen verzichten. 200 Meter weiter steht ein Bauernhaus.
„ Wie hemmen ja noch wat Tied, de annern sünd ja noch neet so wiet, dann mutten s` eben na`d` Plaats lopen un `n Stang haalen, ich wacht hier so lang“. 

Klaus Peter ist gerade beim  Haus angekommen, als Fidi, Hinnerks bester Kollege, mit einem Hasen ankommt. „ Wor hest de her?“ 
„ Dee hemmens up Straat doodfahren“.
So sieht er auch aus.
„ Weest  wat“, seggt Hinnerk, „ de pack ik in `t Röhr, und wenn he gliek weer kummt, dann stötts du de eenmal in un ik wies hum dann disser.“
So machen sie es. Einmal mit der Dachlatte durchs Rohr und Hinnerk hält den Hasen in der Hand. 

„ War ja klar, dass er da liegen musste“, erklärt Klaus Peter. Sein Gesicht wird jedoch etwas grauer, als er den Hasen in der Hand hat. 
Fidi fragt auch gleich, ob der nicht etwas zu dicht geschossen wurde. 
Hinnerk kopfschüttelnd: „ Dat Superspeed  is up 10 Meter doch to hart“. 

Abends wird beim Jagdgericht erst der Fall unterschlagen. Klaus Peter ist schon lange dabei und auch einer, dem schwer das Geld aus der Tasche zu ziehen ist. Er sitzt immer neben dem Jagdherrn. Da wird es unserem jungen Hinnerk zum Schluss aber zu bunt. 
„ Also, dat will `k jo seggen“ , so fängt er mit der Anklage an, „ kann ja neet so wesen, dat wie Jungen immer betahlen mutten.“ Dann erzählt er vom Hasen und wie er kaputtgeschossen wurde. 

Hegeringleiter Behrends wird als Gutachter zum Hasen geschickt. Das Urteil ist vernichtend: „ De Haas sücht ut as wenn he unner d` Zug komen is, de Jungs hemmen recht!“ 
Nun ließ es sich nicht mehr vermeiden, Klaus Peter sträubte sich noch etwas, aber 5 DM wurden fällig, besonders deshalb, weil er sich nicht freiwillig gemeldet hatte. Der Abend wurde lang und immer feuchter. 
Bei Fidi und Hinnerk besonders und sie konnten ihren Mund nicht halten. Erst wurde es Harm gewahr, der immer mit Fidi auf Enten ging. 
Dann lachte sich Bernd halbtot über die Geschichte. Seine Frau war nicht da und endlich durfte er mal wie er wollte. Der offizielle Teil sollte gerade geschlossen werden, da beschwerte sich Klaus Peter bei Behrends. 
„ So geht das nicht mit den Jungs!“ Zum Schluss bekam er dann doch noch sein Geld wieder und die Übeltäter mussten wieder mal bezahlen. „ Dat will `k di seggen“, meent Hinnerk to Fidi „ dat was mi `t  mackelk wert!“

 

 

 

 Hinni und Gisela

Es war Anfang der 70er Jahre, ich war gerade 18 Jahre alt und hatte meinen Jagdschein gemacht. Ende August fragte mein Vater mich, ob ich nicht einmal auf Entenjagd gehen wolle. Endlich, die Flinte über die Schulter, lief ich über den Deich zur Südseite des Sandwaters. Es war noch viel zu früh, um überhaupt eine Ente zu Gesicht zu bekommen, es war auch noch sehr warm. Ich hatte es mir unter einem Weidenbusch gemütlich gemacht, als ich plötzlich Stimmen hörte. Ich stand auf, um nachzusehen, wer sich da unterhielt und sah gerade noch, wie Hinni und Gisela sich im langen Gras am Deich hinunterließen, keine 20 m von mir entfernt. Hinni kannte ich aus der Schule, Gisela kannte ich nur vom Sehen. Ich fragte mich, was die beiden da wollten, denn sie waren eigentlich in festen Händen, nur nicht miteinander.

Ich wartete 20 Minuten, bis mich die Neugierde aus meinem Versteck trieb. Langsam und geräuschlos näherte ich mich dem Paar, es war ein regelrechtes Anpirschen, drei Meter noch, oh Gott, sie waren schon splitterfasernackt! Mich bemerkten sie gar nicht, so beschäftigt waren sie miteinander. Mein Blick schweifte über das Sandwater und dann wieder auf die Beiden, was tun?

Die Rettung näherte sich von Osten über das Sandwater, eine Möwe flog so ziemlich genau in meine Richtung. Aber eine Möwe fliegt sehr langsam, wenn man auf sie wartet. Sekunden wurden zu Minuten. Ein Auge auf die Möwe, das andere auf die Beiden, dort wurde es immer heißer. Die Flinte in die Schulter, beide Augen auf Hinni und Gisela, die Möwe in Reichweite und BUM BUM BUM…

„Ik, Ik, Ik kriech een Herzinfarkt!!“ sagte Hinni. „Was ist hier denn los? Wenn ich das gewusst hätte, dass ihr hier liegt, dann hätte ich ja nie geschossen!!“ antwortete ich. Gisela sagte überhaupt nichts, zog sich aber auch nicht besonders schnell an. Hinni saß unten am Deich und rang nach Luft. „Du, du hässt uns hier nich sehn!“

Ich habe noch gesehen, dass die Möwe ihre Reise Richtung Ems unbehelligt fortgesetzt hat. Hinni und Gisela zogen sich an und dann ab durch die Mitte. So kann es kommen. Immer, wenn Hinni mir im Dorf entgegen kommt, muss ich daran denken. Er sicher auch!

 

„Wie ist es denn zu dem Unfall gekommen?“  fragt der Mann von der Berufsgenossenschaft. 

„ Zwei Armbrüche und ein Schlüsselbeinbruch ist doch ungewöhnlich“. 

„Wir hatten uns mit 10 Kumpels beim Hochsitz zur  Entenjagd verabredet. 

Ich nach oben mit dem Fernglas, um zu sehen, wo  die Enten sitzen“, erzählt Hinnerk.

 „ Keine 100 Meter weiter ist so ein junges  Pärchen beim vollen Programm. 

Da wollten alle mal gucken.

 Als der neunte auf der Leiter stand, ist es dann passiert.“

 

 

 

 

Onkel Jacobs Hütte

 

Es ist schon ein paar Jahre her, Holger hatte gerade den Jagdschein gemacht und er fragte bei uns an, ob er mal mit auf die Jagd gehen könne. Große Runde, kurzes Gespräch, Holger war dabei. Das war im Juli und bald würde die Entenjagd losgehen. Holger stammte nicht aus einer Jägerfamilie und musste noch viel lernen. Der Herbst kam und wir nahmen Holger mit zur Entenjagd. Was ihn besonders interessierte, war die Jagd mit den Lockenten am Fehntjer Tief und so dauerte es nicht lange, bis er fragte, ob er sich eine Hütte bauen dürfe. Nun sind die Plätze für die Hütten begrenzt, hin und her überlegt, Onkel Jacobs Hütte am Sengesiel war frei, der alte Herr war über 80 und hatte die Jagd mehr oder weniger an den Nagel gehängt. Die Hütte war sowieso nur aus ein paar Weiden und Reit gebaut, war total abgängig und außerdem zu klein für Holger, da er zwei Meter groß war. Eine Woche später kam ich mit meinem Hund an der Hütte vorbei, Holger hatte ein ganz neues Gestell gebaut und brauchte dieses eigentlich nur noch mit Reit verblenden. Aber er musste auch arbeiten, so blieb für die Jagd nur das Wochenende. Bei mir auf der Arbeit hatten sie eine Maschine zum Beschriften von Schildern und Plaketten bekommen. Das kam mir sehr gelegen. Es war Freitag, 14 Uhr, Feierabend. Ich bin direkt von der Arbeit zu Holgers Hütte gefahren und habe dort ein Schild aufgestellt, dann schnell nach Hause. „Du bist heute aber spät“ meinte meine Frau, als ich heimkam. „Ich musste noch ein Schild aufstellen.“ sagte ich. „Was für ein Schild?“ wollte meine Frau wissen. RING-RING.RING, Telefon. Holger rief mit seinem Handy an. „Ich muss mit dir sprechen“ meinte er. „Was ist denn?“ wollte ich wissen. „Scheiße, hier steh ein Schild!“ „Was für ein Schild denn? Ankern verboten oder was?“ „Nein, du musst herkommen und dir das angucken.“ Ich erwiderte, dass ich erst essen müsse, aber Holger bestand darauf,  dass ich sofort zu seiner Hütte fuhr. Also fuhr ich zur Hütte, wo ich ja vor einer halben Stunde erst gewesen war. Als ich da war, stand er vor mir und war auf 180 vor Panik. „Da, guck das Schild an!“ „Ich seh kein Schild.“ „Ja, da, hinterm Mais, bei der Hütte.“ Wir sind hingelaufen und dann sah ich das Schild auch:

 


An Kanalkreuzungen und Kanaleinmündungen

 in einem Naturschutzgebiet ist das Bauen

 von Bootsstegen, Jagdhütten und anderen 

jagdlichen Unterständen verboten! 

 Untere Naturschutzbehörde

 

Ich zu ihm: „Die können uns gar nichts. Die Hütte steht hier schon 100 Jahre und die Ostfriesen haben das Recht, die Pooljagd auszuüben.“ Er beruhigte sich gar nicht wieder. „Ja, du hast Recht, aber die steht hier ja an einer Kanalkreuzung!“ „Na und?“ sagte ich, „Die Hütte stand hier ja schon. Wenn du die allerdings ganz weggerissen hast… Hast du die etwa ganz weg gehabt?!“ Hatte er, das wusste ich ja schon. „Ja, hab ich…“ gestand Holger ein. „Das hättest du nicht machen müssen. So lange die da steht, ist das Gewohnheitsrecht. Wie lange hast du die alte Hütte denn weg gehabt?“ „Drei Tage…“ „Dann sind die sicher in der Zeit von der Unteren Naturschutzbehörde hier mit einem Boot vorbeigekommen. Auf so was warten die ja nur, das ist ja ihre Gelegenheit!“ Holger hatte die Schnauze voll und ich musste mir vor Lachen fast in die Hosen machen und dabei toternst bleiben. „Das ist ein schöner Pfahl, an den das Schild genagelt ist.“ sagte ich. „Den könnte ich wohl gebrauchen…“ „Das kannst du nicht machen!“ meinte Holger entsetzt. „Ich hab hier kein Schild gesehen, du?“ „Nein…“ erwiderte Holger. „Und wenn da was von kommt, dann geht das erst zu Fritz, unserem Pächter, dann können wir erstmal mit dem reden“, ermutigte ich Holger. Das Schild also runtergerissen und im Auto verstaut, es hatte gerade einmal eine halbe Stunde dort gestanden.

Holger hat seine Hütte fertig gemacht, aber ein schlechtes Gewissen hatte er doch. Immer wenn er mich gesehen hat, fragte er mich, ob ich schon was gehört habe.

Zwei Jahre später saßen wir nach der Jagd abends zusammen und das Thema kam auf. Alle mussten lachen, nur Holger nicht.                                    

 

 

 

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